2020 Programm

Heidelberger Theatertage 2020: EINZELSTÜCKE

Das Ende der Einzelstücke

Applaus, Applaus! Heike Feist und Andreas Nickl begeisterten das Heidelberger Publikum mit ihrer Stückentwicklung „Schöner Scheitern mit Ringelnatz“.
Nun räumen wir das Bühnenbild auf, holen die Scheinwerfer aus dem Gebälk und kehren das letzte Konfetti von der Bühne.
Dass die heutige Vorstellung ursprünglich für die Eröffnung der Heidelberger Theatertage 2020 gedacht war und den Auftakt zum zweiwöchigen Fest des freien Theaters bilden sollte, ist längst vergessen. Vielfach wurde umgeplant, neu kalkuliert, verändert und verkleinert. Mit der biografischen Erzählung von Hans Bötticher, besser bekannt als Joachim Ringelnatz, endeten die EINZELSTÜCKE 2020 abrupt.
Die Bühne wird von nun an leer bleiben. Vereinzelte Konfettischnipsel werden weiterhin in den Ritzen sitzen und darauf warten von Schauspieler*innen, Musiker*innen, Kabarettist*innen etc. aus ihrem Versteck gerüttelt zu werden.

Mit den EINZELSTÜCKEN konnte das Team um den Freien Theaterverein Heidelberg e.V. und das Kulturhaus Karlstorbahnhof ihr Theaterfestival in neuartiger Form, zielgerichtet auf die Anforderungen des sicheren Veranstaltungsbetriebs in Pandemiezeiten, erfolgreich an den Start bringen.
In enger Absprache mit den Künstler*innen, unterstützt von der Stadt Heidelberg und durch vorbildliches Einhalten der stetig verschärften Hygieneregeln durch das Publikum war es möglich ausgewählte Soloproduktionen aus Heidelberg, Berlin, St. Vith und Karlsruhe im Saal des Karlstorbahnhofs zu präsentieren.
Ein Lichtblick für freie Kulturschaffende und Veranstaltungshäuser, die detaillierte Hygieneregeln ausarbeiteten, unter Kraftanstrengungen kalkulierten und entsprechend auch Gagen neu vereinbarten.
So konnte das Festival am 3. Oktober mit „Heimat Wort“, einer Produktion von Meriam Bousselmi und Miriam Lemdjadi über die Kraft der Poesie eröffnet werden, in deren Mittelpunkt Gedichte der Heidelberger Autorin Hilde Domin stehen.
Schon die zweite Veranstaltung im Rahmen der EINZELSTÜCKE führte dem Festivalteam vor Augen, wie schwierig der Veranstaltungsbetrieb im Herbst werden würde.
Das kurzfristig angekündigte Beherbergungsverbot überraschte und machte die Anreise des Berliner Schauspielers Winfried Peter Goos unmöglich. Seine Solo „Der Mann ohne Brückenkopf“ musste entfallen.
Umso größer war nun die Freude als die Nachrichten des Ensembles des AGORA Theaters in Heidelberg eingingen und die Testergebnisse alle Beteiligten am Mittag des Vorstellungstages schließlich Vorlagen. „Cuts, Pieces and Sounds – Geschichten einer Stimme“ konnte schließlich vor dem Heidelberger Publikum am 14. Oktober seine Aufführung feiern. So auch das Gastspiel des marotte Torunee Ensembles aus Karlsruhe. Sebastian Kreutz präsentierte seine von bemerkenswertem Zusammenklang von Schauspiel und Figurentheater getragene Produktion von „Adams Äpfel“. Das Festivalpublikum quittierte diese mit viel Applaus und einen angeregten Nachgespräch.
Trotz sozialer Distanz schafften die stets anschließenden Gespräche die Nähe zu den Künstler*innen, die die Theatertage sonst so besonders machen.
Wir bedauern, dass wir das Theater Fletch Bizzel aus Dortmund und die soMermaids aus Berlin nicht mehr bei uns begrüßen dürfen und hoffen auf ein baldiges persönliches Kennenlernen bzw. Wiedersehen hier in Heidelberg.
Stellvertretend für die vielen freien Kulturschaffenden wünschen wir euch alles Gute.
Wir möchten allen Künstler*innen, Zuschauer*innen, Techniker*innen und Mitarbeiter*innen für Ihre Kooperation und Professionalität im Umgang mit der schwierigen Situation danken.
Uns allen toi, toi, toi für die nun anstehenden Wochen.

Eure Heidelberger Theatertage

Kai Sauter, 28.10.2020

03.10.2020 / Sa / 20.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

Meriam Bousselmi, Berlin & Miriam Lemdjadi, Heidelberg
Heimat Wort
​Eine performative Auseinandersetzung mit der Poesie und mehr  


Die Theaterinszenierung "Heimat Wort" befasst sich mit der Notwendigkeit von Poesie und der Kraft der Worte. Im Mittelpunkt steht die Begegnung dreier Frauen, die sich über Landes- und Zeitgrenzen hinweg Worte der Zuversicht senden. Gedichte, die Mut machen. Meriam Bousselmi verwebt gekonnt die Biografien der Dichterin Hilde Domin, der Performerin Miriam Lemdjadi mit ihrer eigenen. Arabische Erzählkunst trifft auf deutsche Lyrik, es entsteht ein Geflecht aus persönlichen Erzählungen, Anekdoten, Liedern und Bildern. Mit viel Ironie, werden Zugänge zur Lyrik gesucht und wieder verworfen, selbstkritisch werden Arbeitsweisen im Theater auseinander genommen. „Am Ende ist das Wort, immer am Ende das Wort“ welches die Frauen verbindet, den Heimatlosen ein Zuhause schenkt, Mutterschaft und Poesie vereint und Licht ins Dunkel bringt.


Text, Regie: Meriam Bousselmi
Übersetzung: Lilian Pithan
Schauspiel: Miriam Lemdjadi
Visuals/ Film: Caroline Reucker

Gefördert durch den Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg e.V. aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-
Württemberg.

Im Anschluss an die Aufführung laden wir zu einem Publikumsgespräch ein.

Mitglied im Freien Theaterverein Heidelberg e.V.

Eintritt: nur VVK reg. 16,40 €, erm. 10,90 €

Abgesagt: 11.10.2020 / So / 19.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

Theater Zukunft, Berlin
Abgesagt: Der Mann ohne Brückenkopf
von Wolfgang Krause Zwieback

Der Mann ohne B kehrt nach langwieriger Asubildung zurück- mit neuen  Aufgaben.Das Rauschen der Zeit. Möwengeschrei. Knarrend dreht sich der Sessel zum Fenster mit Blick aufs Meer. Maren Schneider sitzt im Büro an der Uferpromenade. Von hier aus wird er seine Fäden ziehn. Operation gelungen. Soll es am Ende heißen. Der Mann ohne Brückenkopf kommt nach 17 Jahren Ausbildung mit neuen Aufgaben zurück- in seine unbekannte vertraute Stadt. Findet seine Straße nicht wieder. Geht ins Hotel. Nach 23 Stunden Schlaf: „Erstmal Überblick verschaffen- vom Meer, aus der Luft, aus der Kanalisation.“  Er beginnt zu fliegen. Nicht im Traum. Nein. Im Propellerflugzeug seine Freundes Sam Elle.  „..und jetzt noch das alte Spiel auf der Kirchturmspitze, los, komm schon...! Es hat sich viel verändert. Schritte verhallen in den leeren von Sonnenlicht durchfluteten Straßen. In seinem Büro die erste Klientin. Sie beginnt ihre Geschichte zu erzählen.... Eine Reise in die unendliche Weiten der Phantasie, der Bilder, der Sprache – nimmt ihren Lauf-  Und begingt Bewegungen mit Menschen, die alle ein Geheimnis brauchen. Und was geschah mit dem Brückenkopf?!

Wolfgang Krause Zwieback ist ein Dramatiker, der in der Leipziger Szene viele Fans hat; Regisseur, Bühnenbildner, Zeichner und Schauspieler in einem. Oft tritt er mit Corinna Harfouch auf, mit der er seit 2004 zusammenlebt.
Als Autor bemüht sich der Allroundkünstler, das Hintergründige der Welt aufzuzeigen. Dass er dies auf eine heitere Weise zu tun beabsichtigt, beweist schon der Zuname, den er sich erwählt hat.

Regie: Kai Lange
Schauspiel: Winfried Peter Goos

Im Anschluss an die Aufführung laden wir zu einem Publikumsgespräch ein.


Eintritt: nur VVK reg. 16,40 €, erm. 10,90 €

14.10.2020 / Mi / 20.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

AGORA Theater, das Theater der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien, St. Vith
Cuts, Pieces and Sounds - Geschichten einer Stimme
von Galia De Backer und Felix Ensslin

Eine Solo- Performance mit Mikro und Loop

Eine junge Frau steht kurz vor einem Auftritt. Sie singt Jazz, Songs, die sie seit ihrer Kindheit liebt und mit denen sie inzwischen ihren Lebensunterhalt verdient. Dann kommt ein Anruf. Ein berühmter Regisseur möchte, dass sie nicht nur singt, sondern auch eine historische Figur verkörpert. Sie soll Jeanne d'Arc spielen. In seinem neuen Film. Er stellt eine Bedingung: Sie müsse an sich und ihrem Körper ein paar kleine Änderungen vornehmen. Aufgeregt und voller Energie geht sie die Aufgabe an. Doch die Stimmen der Vergangenheit und Gegenwart holen sie ein: ob es Geschichten aus ihrer eigenen Familie sind, oder die Erinnerung an die historische Realität der Heiligen Johanna, oder die Auseinandersetzungen mit ihrer Betreuerin im Arbeitsamt. In diesen Auseinandersetzungen hört sie immer mehr eine andere, störende, beunruhigende Stimme. Gegen das verführerische Angebot des Regisseurs und gegen die Bequemlichkeit, immer weiter die alten Songs zu covern, entwickelt sie ihre eigene Geschichte, die Geschichten ihrer eigenen Stimme.

Gleich mehrere Figuren erwachen in dem Stück zum Leben und führen zu einer Auseinandersetzung mit störenden Fragen der eigenen Geschichte, der eigenen Stimme. Die Schluss-Szene ist voller Energie und Emotionen – Cuts, Pieces and Sounds – Geschichten einer Stimme.

Regie führt der bekannte Autor, Regisseur und Dramaturg Felix Ensslin. Er ist vom Agora-Theater und dem Erbe Marcel Cremers fasziniert. Unter anderem, weil seiner Meinung nach hier erstrangiges Theater mit den Prinzipien der kollektiven Verantwortung entsteht.

Regie: Felix Ensslin
Schauspiel:  Galia De Backer


Im Anschluss an die Aufführung laden wir zu einem Publikumsgespräch ein.

Eintritt: nur VVK reg. 16,40 €, erm. 10,90 €

21.10.2020 / Mi / 20.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

marotte Tourne Ensemble GbR, Karlsruhe
Adams Äpfel
nach dem gleichnamigen Film von Anders Thomas Jensen


Der Neonazi Adam kommt zur Resozialisierung zum Pfarrer Ivan und verzweifelt fast an dessen Großmut. Adam beginnt zu forschen, was es denn mit diesem merkwürdigen Philantropen auf sich hat. Er deckt auf, dass bei der Geburt von Ivan die Mutter gestorben ist, er von seinem Vater missbraucht wurde, seine Frau sich selbst umgebracht hat, sein Sohn gelähmt im Rollstuhl sitzt und er selbst einen Gehirntumor hat. Nach Ivans Glauben sind das alles Anschläge des Teufels. Adam gelingt es, ihm deutlich zu machen, dass diese Schicksalsschläge nicht Werk des Teufels sind, sondern von Gott. Diese Einsicht verändert den Pfarrer, aber Jensen schraubt die Handlung noch in einen weiteren absurden Dreh: Bei einer Schießerei zwischen Khalid und Gunnar, beide ebenfalls zur Resozialisierung beim Pfarrer, und den ehemaligen Neonazi-Kumpels von Adam wird Ivan getroffen und sein Tumor herausgeschossen.

Kreutz ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Frederike Krahl nutzt diese Kraft und Virtuosität. Sie schafft ihm viele Möglichkeiten, seine Virtuosität zu zeigen. Mit gezeichneten Videos vom Apfelbaum, vom Überfall der Krähen, etc. ergänzt und erweitert sie das Spiel und integriert dazu die Musik von “Nine Inch Nails“, die mit ihrem Elektro-Punk Spannungsbögen schaffen, die den Drive des Theaterabends unterstützen. Das ergibt in dieser Zusammensetzung einen gelungenen Abend, in der alle Theatermittel zusammenkommen, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

Regie: Friederike Krahl
Schauspiel: Sebastian Kreutz
Bühne und Figuren: Matthias Hänsel


Trailer

Im Anschluss an die Aufführung laden wir zu einem Publikumsgespräch ein.


Eintritt: nur VVK reg. 16,40 €, erm. 10,90 €

28.10.2020 / Mi / 20.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

Copyright Tobias Gloger
Heike Feist und Andreas Nickl, Berlin
Schöner Scheitern mit Ringelnatz
Ein Theaterabend mit Papierrequisiten und Papierkostümen.


Sind Sie auch schon mal auf die Schnauze geflogen? Haben Sie auch schon probiert mit der Deutschen Bahn pünktlich an Ihr Ziel zu kommen? Steckte Ihr Wohnungsschlüssel auch schon mal drinnen und Sie waren draußen? Es gibt Tage da ist einfach komplett der Wurm drin. Heike Feist und Andreas Nickl kennen das. Deshalb haben sie sich auf die Fahne geschrieben, überaus stilvoll zu versagen – auf einer Reise durch das Leben des großartigen Dichters Joachim Ringelnatz, einem kleinen Mann mit großer Phantasie, der das Scheitern und Wiederaufstehen bestens beherrschte.

In 100 Minuten werden sie markante Lebensstationen sowie die Beziehung zu Muschelkalk – seiner Frau – beleuchtet und Unbekanntes zu Tage gefördert. Lassen Sie sich verführen mit Ringelnatz`schem Blick auf die Welt des Scheiterns zu schauen. Denn hinter jeder verpassten Ausfahrt kann auch ein Lächeln lauern.

„Dass Papier-Requisiten... eine ganze Biografie darstellen können, damit begeisterten ...Heike Feist und Andreas Nickl ihr Publikum... Feist und Nickl gelang es großartig, das Drama dieses Lebens in Texten von Ringelnatz, verbunden mit eigenen Texten, zur Biografie werden zu lassen.“
- Augsburger Allgemeine


Eintritt: nur AK regulär 17€, VVK 16,40 €

06.11.2020 / Fr / 20.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

Theater Fletch Bizzel, Dortmund
Die Frau, die gegen Türen rannte
von Roddy Doyle. Für die Bühne bearbeitet von Oliver Reese


Paula Spencer war schon mit zwölf für alle die Schlampe. Jetzt ist sie 39, fünffache Mutter, vom Leben gezeichnet durch Übergriffe des Vaters, abgestumpfte Lehrer, verrohte Mitschüler, ein Prügel-Opfer der verkorksten Verhältnisse und ihres brutalen Ehemanns Charlo.
Ihre Verletzungen erklärt sie stets damit, sie sei gegen eine Tür gelaufen. Nun ist Charlo tot und Paula beginnt zu sprechen.

Booker-Preisträger Roddy Doyle erzählt die Geschichte einer Frau, die sich ihre Qual von der schwer verletzen Seele redet und die Trümmer ihres Lebens zusammenkehrt.

Regie: Hans-Peter Krüger
Schauspiel: Sandra Schmitz
Sounds: Joey Porner


Ehrlich, bissig und fernab von Gefühlsduselei und moralischem Zeigefinger, ein furioser Monolog, der ausschlägt wie eine „leidenschaftliche Fieberkurve“ (die Zeit) bodennah und mit bissigem Wortwitz.

Im Anschluss an die Aufführung laden wir zu einem Publikumsgespräch ein.

Eintritt: nur VVK reg. 16,40 €, erm. 10,90 €

13.11.2020 / Fr / 20.00 Uhr / Karlstorbahnhof Saal

soMermaids/ Berlin
MUTTER_F*CKING_ERDE & CO.
von Panni Néder

Eine Frau, die 4543 Milliarden Jahre lang geduldet, gelitten und gewartet hat, erhebt sich. In einer dynamischen One-Woman-Show erteilen soMermaids den Frauen, die Mutter Erde sind, das Wort: WTF habt ihr mit meinem Körper angestellt?

Neben der Ausbeutung der Erde hinterfragen soMermaids in ihrer Performance die Legitimität der patriarchalen Gesellschaft und suchen nach Handlungsmöglichkeiten in einer klimadepressiven Gegenwart. In einem turbulenten Monolog verschränkt sich die Perspektive der heutigen Kindergeneration mit den vielfältigen Facetten von mutter_f*cking_erde.

Text / Regie: Panni  Néder
Schauspiel: Adrienn Bazsó


Im Anschluss an die Aufführung laden wir zu einem Publikumsgespräch ein.

Eintritt: nur VVK reg. 16,40 €, erm. 10,90 €
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