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Reise quer durch die Theaterlandschaft

  • von der Studierenden-Jury
  • 16 Dez., 2018

Die Studierenden-Jury zum diesjährigen Festival

Zum 21. Mal feierte Heidelberg in den letzten Wochen das jährliche Theaterfestival. Diesmal reisten zu diesem Anlass acht freie Bühnen aus Deutschland und der Schweiz an, um ganz unterschiedliche Produktionen darzubieten, sich im Wettbewerb zu messen und schließlich dem Urteil der Fach-, Publikums- und Studierenden- Jury zu stellen.

Wir – eine Gruppe von zehn theaterbegeisterten Studentinnen und Studenten aus allen Semestern und Fächern – bildeten die studentische Jury unter der Leitung von Professor Dr. Karin Tebben vom Germanistischen Seminar der Heidelberger Universität. In vorbereitenden Seminaren und an so manchem Abend trafen wir zusammen, um über das auf der Bühne zu Erwartende und Dargebotene zu diskutieren. Schließlich sollten wir uns auf einen gemeinsamen Favoriten einigen; angesichts der beeindruckenden Vielfalt an Darstellungsformen und Inhalten war dies alles andere als einfach. In nur zehn Tagen bekamen wir von klassischem Sprechtheater über Puppenspiele bis hin zu Theatercollagen alles zu sehen. Auch thematisch nahmen uns die Ensembles mit auf eine Reise quer durch die Theaterlandschaft: Wir durchlebten die schwierigen Folgen eines Drogenentzugs („Enter2Esc“), wurden mit historischen Ereignissen und engagierten Frauen konfrontiert, die uns auch heute noch als Vorbilder dienen könnten („Rosa – Trotz alledem“, „Name: Sophie Scholl“) und einiges mehr.

In David Harrowers „Blackbird“, inszeniert vom Ensemble der Waggonhalle Marburg, treffen Ray und Una nach sechzehn Jahren wieder aufeinander. Nachdem er sie, eine damals Zwölfjährige, missbraucht hat, stellt sie ihn nun zur Rede. Mehr und mehr wird im Laufe des Stücks mit Zuschauersympathien gespielt, die sich zunehmend von Una auf Ray verlagern, sodass überlieferte Vorstellungen von Opfer- und Täterrollen verschwimmen. Immer wieder lässt das Zwiegespräch auf der Bühne die Zuschauer moralische Prinzipien infrage stellen. Nach der Aufführung kommt es zu einer intensiven und kontroversen Diskussion im Publikum: Wer sagt wann die Wahrheit? Wie sind beide Figuren zu beurteilen? Was sagt es über uns, wenn wir mit Ray sympatisieren?

In „Clockwork Orange“, basierend auf dem Roman von Anthony Burgess (1962) und der Verfilmung durch Stanley Kubrick (1971), geht es ebenfalls um Täterschaft. Das Stück erzählt die Geschichte von Alex, dem Mitglied der „Droogs“, einer Gang, deren gemeinsame Abende nach reichlichem Drogenkonsum in vermeintlich sinnlosen Gewaltausbrüchen enden. Im Verlauf des Stücks wird Alex im Gefängnis scheinbar von seinen gewaltsamen Neigungen geheilt; er wird aber auch zum Spielball eines Systems, das bereit ist, den Willen eines Einzelnen zu brechen, um die Sicherheit vieler zu wahren. Auch hier verwischen die Grenzen zwischen Täter und Opfer, indem die fünf Schauspieler eine Vielzahl von Rollen einnehmen. Sind sie zunächst Mitglieder in Alex’ Gang, übernehmen sie später auch die Rollen von Opfern. Der Regisseurin, Charlotte Sprenger, gelingt es, unterschiedliche Facetten und Formen von Gewalt zu beleuchten, ohne auch nur einen einzigen Akt der Gewalt auf der Bühne zu präsentieren. Als Alex einem fragwürdigen Experiment unterzogen wird, das ihn von seiner Gewalttätigkeit heilen soll, wird das Publikum Teil des Experiments: Was tun, wenn der einzige Schauspieler auf der Bühne zehn Minuten lang wortlos ins Leere starrt? Was ist freier Wille?

Nach langem Abwägen fiel die Abstimmung über unseren diesjährigen Sieger des Festivals, die Performance Gruppe „NomerMaids“ oder „NoMermaids“, denkbar knapp aus. Über die Preisverleihung freuten wir uns deshalb, weil neben dem von uns gekürten Stück „Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze des Berges Sex gehabt?“  mit „Clockwork Orange“ und „Blackbird“ zwei weitere tolle Produktionen ausgezeichnet wurden, von denen wir uns erhoffen, sie im kommenden Jahr noch einmal in Heidelberg sehen zu dürfen.

Foto: Christian Schüll
von Marcel Kückelhaus 10 Nov., 2019

»Gibst du mir einen Kuss?« fragt der Protagonist im Laufe des Stückes immer wieder. Für den jungen Anton ist die Frage ein Ruf nach mütterlicher Zuneigung, für den erwachsenen Antonio steht sie für die Sehnsucht nach Akzeptanz und vielleicht auch romantischer Liebe. Ungeachtet seines Alters bittet der Protagonist jedoch auch nach der Anerkennung seiner Menschlichkeit, welche die Gesellschaft ihm verweigert.

Marco Michel aus Berlin verkörperte bei seinem Beitrag am 07.11.2019 für die 22. Heidelberger Theatertage Ein Kuss – Antonio Ligabue den schweizerisch-italienischen Maler Antonio Ligabue. Als verhaltensauffälliger Waise wird dieser nach Aufenthalten in Waisenhäusern und Psychiatrien letztendlich in das Heimatland seines Stiefvaters abgeschoben – Italien. Als verkanntes Talent wird er von der Gesellschaft ausgestoßen, verlacht und ausgenutzt, bis er sich selbst aus der quälenden Umgebung zurückzieht und ein Leben in Einsamkeit im Wald beginnt. Erst als ein anderer Maler seine Hütte aufsucht und ihm Zugang zu seinem Atelier gewährt, erkennen die anderen ihn für das, was er seit seiner Kindheit war: ein künstlerisches Genie. Doch erst durch seinen Tod akzeptiert die Gesellschaft Antonio Ligabue in ihrem Kreis und weiß selbst dann noch sein Andenken auszunutzen – der Verlust eines Künstlers wird zum finanziellen Gewinn jener, die nun scheinheilig voller Bedauern seine Bilder auf den Markt bringen und ihre Taschen füllen.

Marco Michels Auftritt als Antonio Ligabue ist intensiv, aufrührend und eindringlich. Die Bilder, die er live auf der Bühne zeichnet, sind nicht nur reine Kulisse – er malt Atmosphäre! Seine Kohlezeichnungen sind die eindrucksvolle Verkörperung der Charaktere, die ihn ausstoßen und beleidigen. Sie sprechen durch ihn und seine Bilder, sie engen ihn ein und grenzen ihn aus, und das Publikum wird ein Teil dieser Ausgrenzung. Wir, die Gesellschaft, sitzen auf der einen Seite und starren neugierig auf jenen, der anders ist wie auf ein wildes Tier im Wald. Dann hält uns der Protagonist einen Spiegel vor, blendet uns und zwingt uns den Blick abzuwenden, um dann eine andere Perspektive einzunehmen und den Ausgegrenzten wahrzunehmen.

Das Theaterstück von Mario Perrotta thematisiert die Problematik der Zugehörigkeit und der Ausgrenzung – der Kunst und des Wahnsinns; die Erfüllung der Sehnsucht des Individuums abhängig von den anderen:


»Gibst du mir einen Kuss?« – »Nächstes Mal, Anton, nächstes Mal…«


Dies war der erste Beitrag im Rennen um den 22. Heidelberger Theaterpreis. Wer Interesse an weiteren Beiträgen aus der ganzen Bundesrepublik hat findet Informationen unter: https://www.theaterverein-hd.de/2019-programm .

Tickets gibt es für Studierende im Vorverkauf jeden Montag und Donnerstag zwischen 11 und 13 im Germanistischen Seminar (Palais Boisserée) für 7€. Tickets an der Abendkasse kosten 14€ (9€ ermäßigt).

von Kai Sauter 22 Feb., 2019

Mit der Verleihung des Publikumspreises am Sonntag, dem 10. Februar, ging das fünftägige 13. Iranische Theaterfestival Heidelberg zu Ende. Insgesamt acht Produktionen, vorwiegend in persischer Sprache, wetteiferten um den begehrten Preis. Am meisten überzeugen konnten das Publikum die Wettbewerbsbeiträge „Delibay und Ahoo“ sowie „Kuk, Kul und Kouli“. Die Abstimmungsergebnisse lagen dabei so nahe beieinander, dass Festivalleiter Gholam Allboje die Auszeichnung in diesem Jahr zweifach vergeben musste. Damit wurden zwei Theaterstücke mit gänzlich unterschiedlichen Themen und Hintergründen ausgezeichnet. Allboje, der das Festival mit seinem Kulturverein Boje in Kooperation mit dem Freien Theaterverein Heidelberg e.V. und den beiden Spielstätten (TiKK und Theater im Romanischen Keller) veranstaltet, zeigte sich darüber hocherfreut. Die Stuttgarter Theatergruppe rund um Regisseur Mehdi Tavakoli, die mit „Delibay und Ahoo“ ihre erste gemeinsame Produktion vorstellte, stehe für den „Nachwuchs“, so Allboje. Die jungen Amateur-Schauspieler seien bedeutender Teil der Zukunft der iranischen Theatercommunity in Deutschland, die sich jedes Jahr in Köln und Heidelberg auf ihren Festivals trifft. Die überreichte Auszeichnung ist daher gleichsam auch als Förderung der neugegründeten Gruppe zu verstehen.
Mit „Kuk, Kul und Kouli“ zeichnete das Publikum des Iranischen Theaterfestivals 2019 eine politisch brisante Produktion aus. Shole Pakravan behandelt in ihrem fesselnden Solo, in jeweils kurzen Episoden, die Trauer von Müttern, deren Kinder in Iran zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden und erzählt damit von ihrem eigenen Schicksal. 2014 wurde ihre Tochter, Reyhaneh Jabbari, trotz internationaler Proteste im Iran gehängt. Jabbari hatte 2007 in Notwehr einen Mann erstochen, der sie sexuell misshandeln wollte. Das Urteil und dessen Vollstreckung sorgten weltweit für Trauer und Empörung.¹

Die mit Preisen bedachten Theaterproduktionen stehen damit exemplarisch auch für das Festival und die persischer Kultur in der Diaspora selbst: Es sind der schmerzhafte Blick zurück und der hoffnungsvolle voraus, die sich hier immer wieder treffen.
Dass politisches Statement auch vom Exil aus zum Sicherheitsrisiko werden kann, zeigt sich deutlich beim Musiker Shahin Najafi, der in diesem Jahr zum zweiten Mal im Rahmen des ITF und zum dritten Mal im Karlstorbahnhof zu Gast war. Seine gesellschaftspolitisch kritischen Songs zwangen ihn, unter Androhung einer Haftstrafe, den Iran zu verlassen. Im Zuge seiner 2012 erfolgten Veröffentlichung des Titels „Naghi“ wird er im Iran der Blasphemie beschuldigt und seither mit Mordaufrufen bedroht.
Sein Konzert im ausverkauften Saal des Karlstorbahnhofs, in dem er auch Songs seines neuen Albums „Third Gender“ vorstellte, war für mich zweifelsfrei das Highlight des Festivals. Najafi erhebt gemeinsam mit dem Publikum seine Stimme, die begleitet wird von Melodien zwischen Rock, Blues, HipHop und Jazz.

Das Iranische Theaterfestival kann einen wichtigen Beitrag für den interkulturellen Austausch in Heidelberg und der Region leisten. Leider gelingt es noch nicht das Festival für ein breites Publikum zu öffnen, sodass die iranische Exil-Community hier noch immer sehr unter sich bleibt.
Ich würde mir diesbezüglich eine konzeptionelle Neuausrichtung wünschen, die verstärkt auf Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft setzt, etwa durch deutschsprachige Stückeinführungen, Diskussionsrunden und neue Kooperationspartner. Das wäre aus meiner Sicht ein Gewinn für alle.

Vielleicht beim 14. Iranischen Theaterfestival 2020?

Möglich gemacht wurde das Festival durch die Mitarbeiter/innen der Spielstätten und den tatkräftigen Einsatz der ehrenamtlichen Helfer/innen.
Euch und allen Teilnehmern des diesjährigen Festivals ein herzliches Merci - مرسی .

Kai Sauter


¹ Vgl. https://www.bz-berlin.de/welt/26-jaehrige-frau-im-iran-gehaengt ;   http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/reyhaneh-jabbari-mutter-von-zum-tode-verurteilter-im-int... ;   https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-hinrichtung-von-reyaneh-jabbari-iran-rechtfertigt-sich-fuer... ;   Shole Pakravan: https://www.instagram.com/shole_pakravan/?hl=de   (letzer Aufruf der Links: 18.02.2019).

von Asya, Kim, Laura und Vera im Namen der Studierenden-Jury 16 Dez., 2018

Dunkelheit, Leere. Dann Licht, drei Körper auf der Bühne. Sprache wird raumgreifend, geht zum Zuschauer über, wird zum Teppich, wird Netzwerk.

Warum hat uns das interessiert?

Drei Frauen bringen ihre Ängste und existenziellen Fragen zum Ausdruck, sie plaudern, debattieren und klagen in 14 verschiedenen Sprachen. Nicht immer ist die Sprachcollage verständlich, auch wenn mit Google übersetzt und eine “Translation“ geboten wird.

Autobiographisches ist dann interessant, wenn wir uns selbst darin erkennen. Die teilbaren Gefühle, existenziellen Fragen und menschlichen Ängste sind verbindendes Element. Wer bin ich, wer soll ich sein und wen interessiert das?

Was soll Theater? Innerhalb von 60 Minuten Grenzen aufzeigen und aufbrechen. Sprach- und Landesgrenzen werden deutlich, Zuschauer mit der eigenen Unfähigkeit zu verstehen konfrontiert. Die Körpersprache schafft trotz der nationalen Sprachbarrieren eine Verbindung zwischen Menschen (für alle zugänglich).

Neben den Sprachgrenzen durchbrechen die Darstellerinnen auch die Grenze zum Publikum, indem sie Zuschauer auf die Bühne holen mit der Bitte um emotionale Zuwendung.

Angst ist universal. Sie definiert uns, ist allgegenwärtig. Das Ensemble schafft es, die kleinen Ängste in den großen zu verorten. Der Griff an das Portemonnaie, wenn der Roma-Mann in die U-Bahn steigt, und das Geständnis, nicht zu wissen, wie man eigentlich Portemonnaie schreibt.

Mag die Bühne ein noch so geschütztes, hermetisch abgeriegeltes Universum sein, so ist und bleibt es eindrucksvoll, wie die drei Schauspielerinnen Ängste überwinden und sich emotional vor uns entblößen.

Die Performance Gruppe „NomerMaids“ greift in ihrem Namen ebenso wie in ihrer Inszenierung feministische Bezüge auf, trägt aufgemalten Schnurrbart als Symbolik eines überkommenen Systems, karikiert männliche Vorherrschaft und veranschaulicht auf unkonventionelle Art den Konflikt zwischen individuellen Ansprüchen und gesellschaftlichen Erwartungen, zwischen Selbst- und Fremdbestimmung.

14 Sprachen, drei Frauen und eine Frage: Der Heidelberger Studentenkuss 2018 geht an „Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt?“.

von der Studierenden-Jury 16 Dez., 2018

Zum 21. Mal feierte Heidelberg in den letzten Wochen das jährliche Theaterfestival. Diesmal reisten zu diesem Anlass acht freie Bühnen aus Deutschland und der Schweiz an, um ganz unterschiedliche Produktionen darzubieten, sich im Wettbewerb zu messen und schließlich dem Urteil der Fach-, Publikums- und Studierenden- Jury zu stellen.

Wir – eine Gruppe von zehn theaterbegeisterten Studentinnen und Studenten aus allen Semestern und Fächern – bildeten die studentische Jury unter der Leitung von Professor Dr. Karin Tebben vom Germanistischen Seminar der Heidelberger Universität. In vorbereitenden Seminaren und an so manchem Abend trafen wir zusammen, um über das auf der Bühne zu Erwartende und Dargebotene zu diskutieren. Schließlich sollten wir uns auf einen gemeinsamen Favoriten einigen; angesichts der beeindruckenden Vielfalt an Darstellungsformen und Inhalten war dies alles andere als einfach. In nur zehn Tagen bekamen wir von klassischem Sprechtheater über Puppenspiele bis hin zu Theatercollagen alles zu sehen. Auch thematisch nahmen uns die Ensembles mit auf eine Reise quer durch die Theaterlandschaft: Wir durchlebten die schwierigen Folgen eines Drogenentzugs („Enter2Esc“), wurden mit historischen Ereignissen und engagierten Frauen konfrontiert, die uns auch heute noch als Vorbilder dienen könnten („Rosa – Trotz alledem“, „Name: Sophie Scholl“) und einiges mehr.

In David Harrowers „Blackbird“, inszeniert vom Ensemble der Waggonhalle Marburg, treffen Ray und Una nach sechzehn Jahren wieder aufeinander. Nachdem er sie, eine damals Zwölfjährige, missbraucht hat, stellt sie ihn nun zur Rede. Mehr und mehr wird im Laufe des Stücks mit Zuschauersympathien gespielt, die sich zunehmend von Una auf Ray verlagern, sodass überlieferte Vorstellungen von Opfer- und Täterrollen verschwimmen. Immer wieder lässt das Zwiegespräch auf der Bühne die Zuschauer moralische Prinzipien infrage stellen. Nach der Aufführung kommt es zu einer intensiven und kontroversen Diskussion im Publikum: Wer sagt wann die Wahrheit? Wie sind beide Figuren zu beurteilen? Was sagt es über uns, wenn wir mit Ray sympatisieren?

In „Clockwork Orange“, basierend auf dem Roman von Anthony Burgess (1962) und der Verfilmung durch Stanley Kubrick (1971), geht es ebenfalls um Täterschaft. Das Stück erzählt die Geschichte von Alex, dem Mitglied der „Droogs“, einer Gang, deren gemeinsame Abende nach reichlichem Drogenkonsum in vermeintlich sinnlosen Gewaltausbrüchen enden. Im Verlauf des Stücks wird Alex im Gefängnis scheinbar von seinen gewaltsamen Neigungen geheilt; er wird aber auch zum Spielball eines Systems, das bereit ist, den Willen eines Einzelnen zu brechen, um die Sicherheit vieler zu wahren. Auch hier verwischen die Grenzen zwischen Täter und Opfer, indem die fünf Schauspieler eine Vielzahl von Rollen einnehmen. Sind sie zunächst Mitglieder in Alex’ Gang, übernehmen sie später auch die Rollen von Opfern. Der Regisseurin, Charlotte Sprenger, gelingt es, unterschiedliche Facetten und Formen von Gewalt zu beleuchten, ohne auch nur einen einzigen Akt der Gewalt auf der Bühne zu präsentieren. Als Alex einem fragwürdigen Experiment unterzogen wird, das ihn von seiner Gewalttätigkeit heilen soll, wird das Publikum Teil des Experiments: Was tun, wenn der einzige Schauspieler auf der Bühne zehn Minuten lang wortlos ins Leere starrt? Was ist freier Wille?

Nach langem Abwägen fiel die Abstimmung über unseren diesjährigen Sieger des Festivals, die Performance Gruppe „NomerMaids“ oder „NoMermaids“, denkbar knapp aus. Über die Preisverleihung freuten wir uns deshalb, weil neben dem von uns gekürten Stück „Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze des Berges Sex gehabt?“  mit „Clockwork Orange“ und „Blackbird“ zwei weitere tolle Produktionen ausgezeichnet wurden, von denen wir uns erhoffen, sie im kommenden Jahr noch einmal in Heidelberg sehen zu dürfen.

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